So viele Jahre habe ich es geschafft Musik zu lieben, zu leben und zum Mittelpunkt meines Lebens zu machen, ohne mit gröberen Enttäuschungen kämpfen zu müssen. Bis zum heutigen Tage gab es nichts, was mich dazu bewogen hätte ernsthaft zu trauern. Ein paar abgesagte Konzerte, waren es nicht wert lange Trübsal zu blasen. Doch heute ändert sich das und ein wahrlich langer Abschnitt meines Lebens neigt sich somit dem Ende zu.
Heute – der Tag der vielen in Erinnerung bleiben wird – ist das letzte Konzert einer Band, die nicht nur viele Österreicher berührt hat, sondern sogar in Japan Erfolge feiern durfte. Eine Band, die sich darauf spezialisiert hat Musik zu machen – mit jeder Faser ihres Körpers, und nicht des Geldes wegen. Eine Band die ihre Besucher nicht als Fans sondern Freunde gesehen hat und damit eine Familie geschaffen hat. Diese Band ist From Dawn To Fall. Knapp 10 Jahre haben sie zusammen jede Hürde überwunden und den Großteil ihrer Freizeit in Studios, Proberäumen oder auf Bühnen verbracht. Doch wieviel Zeit und Kraft sie dafür aufopfern mussten war uns allen nicht bewusst. Jetzt wissen wir es, denn es war zu viel…
Das letzte Konzert nach so langer Zeit. Ein Erlebnis dass unvergesslich werden muss. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht dafür zu sorgen. Nicht nur mit voller Motivation und lauten Stimmen, sondern auch mit Geschenken und liebevollen Gesten wollen wir diesen Abend gebührend feiern. Ich selbst habe Bilderrahmen gestaltet, die die Jungs für immer an die gemeinsame Zeit erinnern sollen. Ich sorge dafür, dass diese noch vor der Show an die Band gehen, da ich es nicht riskieren möchte sie bei der Show zu zerstören. Kurz nach der Übergabe erreicht mich schon die erste dankbare Nachricht – es scheint den Jungs zu gefallen 😉
Aber weiter im Text. Nachdem sich nach einer halben Stunde eisiger Kälte endlich ein paar Leute vor dem Club eingefunden haben dürfen wir auch endlich rein – stürmen den Merchandise Stand und sichern uns die letzten CDs. Man merkt schon jetzt, dass etwas Bedrückendes in der Luft liegt. Auch wenn man sich noch mit Gesprächen und Witzen ablenkt, ist es nicht zu übersehen wie angespannt die Stimmung ist. Als sich die Saal-Türe öffnet stürmen wir in die erste Reihe, sichern uns ein feines Plätzchen und versuchen uns seelisch zu festigen. Kurze Zeit später betritt auch schon die „Vorband“ Marcus Smaller die Bühne. Wie erwartet ist heute alles anders als gewohnt. Kein Instrument begleitet Marcus auf diesem Weg – lediglich ein Mikrofon und ein paar weiße Zettel sind seine Stütze. Auf der Treppe am Rande der Bühne versammeln sich die Jungs von From Dawn To Fall, denn auch sie wissen, dass Marcus sich etwas ausgedacht hat.
„Wer hat mich schon einmal Live gesehen?“ – viele Hände gehen nach oben. „Und wer kennt mich noch nicht?“ – auch hier noch immer einige mutige Stimmen. „Pech gehabt, denn ich werde heute nichts singen“. Stattdessen erzählt er uns von seinem gemeinsamen Weg mit FDTF. „…die peinlichsten Geschichten“, droht er uns an. Doch auch wenn noch so viel Witz hinter den ganzen Erzählungen steckt, bleibt es nicht unerkannt, dass die Augen des sonst so gefassten Smallers immer glasiger werden. So viele Musiker habe er kennen gelernt, doch mit keinem von ihnen habe er so eine Verbindung aufgebaut wie zu diesen 5 Jungs.
Nach knapp 20 Minuten lässt er sich doch dazu erweichen etwas zu singen und bittet Stoffl auf die Bühne um mit ihm die „ultra geile hardcore Version“ von Shit Hits The Fan zu performen. Dabei handelt es sich um die leicht abgeänderte „Wiener Sängerknaben“-Special Remix Version des Titels. Viel Gelächter lockert die Stimmung sichtlich auf. Ein Moment den man so schnell nicht mehr vergessen wird. Auch was danach kommt wird jeden Anwesenden noch lange mit Gänsehaut und Tränen versorgen. Schon beim nächsten Song „To Be With You“ färben sich die Augen des Sängers rötlich und auch die Stimmung in der Halle wird erdrückend. Als Marcus dann zu seinem persönlichen Abschiedssong „ „Nothing’s scarier than the truth“ kommt, den er für diesen Abend mit einer Accoustic Version von Rising gemixt hat, bleibt keine Auge mehr trocken. Trotz gefasster Haltung ist genau hier der Punkt gekommen wo ich und viele andere in meinem nahen Umkreis in Tränen ausbrechen. Ein wundervoller Moment, den ich so nicht erwartet habe. Eine Achterbahnfahrt, die sich schwer beschreiben lässt. Über so vieles durften wir lachen und am Ende war es doch das gemeinsame Abschiednehmen, das die Stimmung gebrochen hat.
In der kurzen Pause bleibt uns genug Zeit uns mit Taschentüchern zu versorgen, alle Tränen abzuwischen und Stärke aufzubauen. Ich nehme mir vor mich zusammen zu reißen. Ich will ein letztes Mal feiern und Spaß haben – zum Weinen bleibt danach noch genug Zeit. Doch egal wie oft ich mir einrede ich würde stark bleiben, tief in meinem Inneren weiß ich, dass heute nicht der richtige Tag ist im stark zu bleiben.
Es wird dunkel und die erdrückende Intromusik ertönt aus den Boxen „Es fühlt sich so falsch an“, höre ich mich sagen und dann ist es so weit. Die Show beginnt. Die fünf Musiker stürmen die Bühne und reißen alles mit was nicht niet- und na¬gel¬fest ist. Kein Anflug von Trauer und genau das merken auch wir und lassen uns fallen. Wir feiern und singen, tanzen und springen – schreien was das Zeug hält und versuchen die letzten Moment digital festzuhalten. Immer wieder ertappen wir die Musiker dabei wie sie sich anlachen und sich verblüffte Blicke zuwerfen. Mit so einem krassen Feedback des Publikums haben sie wohl nicht gerechnet.
Jeder Anwesende weiß genau – es gibt kein morgen mehr! Ich habe noch nie ein Konzert dieser Größenordnung erlebt bei dem das Publikum so laut mitgesungen und so fleißig geklatscht hat. Es ist kaum zu fassen was für ein Gefühl dieser Rückenwind aufkommen lässt. Immer wieder bedankt sich Stoffl, der selbst scheint als würde er das Ganze nicht fassen können. Man merkt, dass sie völlig losgelöst sind und alles geben was in ihnen steckt – als wäre ihnen in jeder Sekunde klar, dass sie nichts mehr zu verlieren haben und dass es kein Morgen gibt. Eine Kraft und Leidenschaft, die mich beinahe erdrückt und wie erwartet immer wieder zu Tränen rührt. Ohne Vorwarnung rinnen von Zeit zu Zeit Tränen an meinen Wangen herunter, was mich nicht davon abhält weiter zu singen und jede Sekunde zu genießen.
„Ich kann nach dem heutigen Tag sagen – nach zehn f****** Jahren – zehn verdammt geilen Jahren – ich hab alles geschafft was ich schaffen wollte … und noch mehr“. Damit stimmt Stoffl den Accoustic-Part der Show an, in dem er gemeinsam mit Jojo „Words“ und „Trip“ zum Besten gibt. Ein weiteres Highlight des Abends. Gefolgt vom Nächsten. Nach einer emotionalen Dankesrede von Stoffl, bei dem er sowohl Fans, als auch andere Wegbegleiter wie „The Beth Edges“, „3 Feet Smaller“ und zu guter Letzt „Vanilla Sky“ erwähnt, schafft er damit eine gekonnte Überleitung zu dem nächsten Song „Umbrella“ – bei dem völlig überraschend Marcus und Brian (Sänger von Vanilla Sky) auf die Bühne stürmen. Ein weiterer Grund völlig durchzudrehen – absoluter Wahnsinn, kann ich dazu nur sagen! Was ich hier besonders erwähnen muss ist, dass diverse technische Pannen bei diesem Konzert völlig untergegangen sind, da das Publikum oft so laut mitgesungen hat, dass man es kaum gemerkt hat, wenn ein Mikrofon mal ausgefallen ist.
Als sich nach dieser geplatzten Bombe das Programm immer mehr mit Abschiedsfloskeln füllt wird uns dann auch bewusst, dass es dem Ende zugeht. „Wir legen jetzt unsere Sachen weg und sagen Dankeschön“ – der Moment an dem Gänsehaut und Tränenausbrüche vorprogrammiert sind. So kommt nun also auch der Punkt wo die Band mit den Tränen kämpft. Vor allem Stoffl, der schon länger versucht sich Tränen aus den Augen zu wischen, und Philip können es nicht mehr leugnen – es trifft jeden in diesem Raum! Der Saal füllt sich mit „Puh!“-Schreien und weinenden, verzweifelten Zurufen, denn jeder weiß, dass das der Abschied ist. Die Band umarmt sich liebevoll und klopft sich auf die Schultern, auch sie wissen dass es bald vorbei ist.
Einige Selfies später verlässt die Band die Bühne. Nachdem das Publikum nicht im Entferntesten daran denkt ruhig zu bleiben, muss natürlich trotzdem noch eine Zugabe her. „The Beginning“ – eigentlich ganz schon viel Ironie, denke ich mir als die Band das Lied anspielt. Stoffl begibt sich noch ein letztes Mal ins Publikum, während Dani, Jojo, Clemi und Philip auf der Bühne alles geben. „Ich hätte nie gedacht dass ich das einmal sagen würde, aber wir spielen jetzt unser verdammt f****** letztes Lied ever“, stimmt der Sänger unter Tränen „Rising“ an. Ein Lied das nun nicht mehr dasselbe ist und immer einen bitteren Beigeschmack mit sich bringt – einen bittersüßen. Tränen werden weggewischt, die Band umarmt sich, lacht sich an und tröstet sich gegenseitig. Das Publikum hält keine Sekunde inne, schreit mit letzter Kraft. „Nein!“ „Zugabe“ „Bitte“… Es soll nicht Enden… doch es ist vorbei. Heute und jetzt!
Ich schreibe diese letzten Worte unter Tränen – Tränen der Dankbarkeit und der Trauer. Denn es war eine wunderschöne Zeit, die ich niemals vergessen werde. Auch für den letzten gemeinsamen Abend bin ich dankbar, denn wer kann schon sagen, dass er sowas schon einmal erleben durfte. Dieses Gefühl, ist unbeschreiblich und auch wenn ich einige Wörter kenne, die eine Umschreibung möglich machen würde, fehlt mir der nötige Wortschatz um euch annähernd das fühlen zu lassen was in den letzten Tagen und Wochen in mir passiert und vor allem was an diesem Abend passiert ist. Es ist eine Achterbahnfahrt und übersteigt alles was ich bisher erlebt habe. Nicht unbedingt an Schmerz oder Freude, aber es ist ein undefinierbares Loch, das sich nicht füllen lässt.
Danke an Clemi, Dani, Jojo, Philip und Stoffl. Ihr habt es möglich gemacht mich zu brechen. Mir eine Seite an Musik zu zeigen, die ich bisher nicht kannte – ein Gefühl das für mich nicht greifbar war. Danke für diese wundervolle Zeit und diesen unvergesslichen Abend.
Ich weiß, dass es weitergeht, nicht heute und nicht morgen. Vielleicht nie wieder völlig gleich, aber es ist kein Abschied auf ewig – es ist ein Bruch auf Zeit.
Danke!
Hey, ihr da draußen! Mein Name ist Nina und lebe in Österreich. Schon seit früher Kindheit ist die Musik ein wichtiger Bestandteil meines Lebens – ein Bestandteil, den ich nicht missen will. Nichts macht mich so glücklich, wie in einer Menge von Menschen zu stehen, die das Gleiche fühlen und denselben Moment leben – glücklich sind während sie jeden Ton der Musik spüren und jedes Wort in sich aufnehmen, welches durch den Raum hallt. Immer wieder verschlägt es mich zu diversen Konzerten, die mich verzaubern und die mein Leben um einiges bunter und aufregender gestalten. Über diese Konzerte will ich euch berichten und freue mich, meine Erlebnisse mit euch teilen zu dürfen.